Bundes- und Europaangelegenheiten

Europaminister reist nach Montenegro und Bosnien-Herzegowina

Manfred Pentz: „Künftiger Weg des Westbalkans bestimmt auch Europas Zukunft“

Hessens Europaminister Manfred Pentz bricht zu einem Arbeitsbesuch nach Montenegro und Bosnien-Herzegowina auf. Beide Länder gehören zu den Ländern des Westbalkans, die in die EU streben. Während mit Montenegro bereits im Jahr 2012 EU-Beitrittsgespräche aufgenommen wurden, begannen die Beitrittsgespräche mit Bosnien-Herzegowina erst im März dieses Jahres. In beiden Ländern gibt es allerdings schwindende Zustimmungswerte zur europäischen Integration. Insbesondere die lange Dauer der Verfahren führt vielerorts zur Ernüchterung. Durch den brutalen Überfall Russlands auf die Ukraine entstand jedoch eine neue Dynamik. Die EU hat seitdem mit der Republik Moldau, der Ukraine, aber auch mit Albanien, Bosnien-Herzegowina und Nordmazedonien offizielle Beitrittsgespräche aufgenommen.

Seine Reise in die Region sieht Europaminister Manfred Pentz deshalb als Zeichen der Unterstützung und Solidarität mit den Ländern: „Wir erleben derzeit ein historisches Momentum für die EU. Denn seit dem russischen Überfall auf die Ukraine haben viele Bürgerinnen und Bürger den eigentlichen Wert der europäischen Integration wiederentdeckt. Natürlich geht es in der EU um unseren Binnenmarkt und die Sicherung unseres Wohlstandes. Es geht aber ganz wesentlich auch darum, den Frieden in Europa zu bewahren. Lange haben wir geglaubt, dass es in Europa keinen konventionellen Krieg mit hunderttausenden Toten mehr geben kann. Jetzt wissen wir, dass dies eine Fehleinschätzung war und müssen uns fragen, wie wir den Frieden in ganz Europa bewahren können. Unsere Antwort darauf kann nur sein, dass wir das Friedensprojekt EU um die Länder erweitern, die teilweise schon sehr lange an unsere Tür klopfen.“

Europaminister besorgt über die Zustimmungswerte zum Erweiterungsprozess

„Dabei ist der Beitritt zur EU keine Einbahnstraße dergestalt, dass es nur auf die Zustimmung der Mitgliedstaaten der EU ankommt. In vielen Beitrittsländern wachsen die Zweifel an der eigenen Strategie. Oft liegen zwischen Beitrittsanträgen und der Aufnahme von Beitrittsgesprächen viele Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte. Daran haben beide Seiten Schuld. Die einen betreiben die Verfahren nicht intensiv genug. In den Beitrittsländern gibt es aber oft genug auch interne Schwierigkeiten. Diesen gordischen Knoten müssen wir jetzt gemeinsam lösen. Es sind beiderseitige Anstrengungen notwendig, denn ansonsten schwindet die Zustimmung der Bevölkerung zum gesamten Erweiterungsprozess und dies können wir uns nicht erlauben.“

Europaminister bietet Unterstützung Hessens im Beitrittsprozess an

Der Minister verwies in diesem Zusammenhang auf den Hessischen Koalitionsvertrag: „Der Koalitionsvertrag der christlich-sozialen Koalition hat in diesem Punkt eine sehr klare Sprache. Hessen ist bereit, die Beitrittsprozesse, etwa durch den Ausbau von Tandempartnerschaften mit Verwaltungen, den Austausch von Landesbediensteten oder bei der Förderung des parlamentarischen Austausches, zu unterstützen. Denn wir Länder haben eine wichtige Rolle im Beitrittsprozess. Es geht nicht nur darum, am Ende des Verfahrens im Bundesrat dem jeweiligen Beitritt zuzustimmen, sondern wir sind es, die auf eine jahrzehntelange Praxis im Umgang mit europäischem Recht zurückblicken können. Diese praktische Erfahrung können wir jetzt in die jeweiligen Beitrittsprozesse einfließen lassen“, sagte Manfred Pentz und fügte hinzu: „Das machen wir nicht nur uneigennützig. Die Erweiterung der EU ist in unserem Interesse. Der Binnenmarkt und unsere Wertegemeinschaft werden dadurch erheblich größer, aber auch unsere Verteidigungsfähigkeit und Resilienz in ganz vielen Bereichen werden dadurch gestärkt. Wir Länder profitieren enorm von dieser Entwicklung und deshalb ist unsere Unterstützung der Beitrittsverhandlungen auch eine Investition in unsere Zukunft.“

Montenegro: Beitrittsverhandlungen neuen Schwung verleihen

Europaminister Manfred Pentz wird vom 23.-24. Juni 2024 in Montenegro sein. Erstmals wird damit ein hessischer Minister das Land besuchen. Mit 620.000 Einwohnern gehört das Land zu den kleinsten Beitrittsländern. Rund 3.000 montenegrinische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger leben in Hessen. Bereits im Jahr 2008 beantragte das Land eine EU-Mitgliedschaft. Vor 12 Jahren, im Jahr 2012 wurden bereits die Beitrittsverhandlungen eröffnet. Seit 2017 ist das Land zudem Mitglied der NATO. Vor Ort wird der Minister mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft, mit Unternehmen aus Deutschland sowie mit verschiedenen politischen Vertreterinnen und Vertretern zusammentreffen, darunter dem Minister für Tourismus, Umwelt und nachhaltige Entwicklung, Herrn Vladimir Martinović, mit der Ministerin für europäische Integration, Frau Maida Gorčević sowie Mitgliedern des EU-Ausschusses des Parlaments.

Bosnien-Herzegowina: Entwicklung fortsetzen

In Bosnien-Herzegowina wird Europaminister Pentz vom 24.-28. Juni 2024 sein. „In dem Land, ja in der gesamten Region, sind die Narben des letzten europäischen Krieges noch nicht überwunden. Dieser ist mit den Gräueltaten in Srebrenica und Sarajevo verbunden und wütete fast vier Jahre lang. Allein in Bosnien-Herzegowina kostete der Krieg mehr als 100.000 Menschenleben, über 20.000 Frauen mussten systematische Massenvergewaltigungen erleiden und über zwei Millionen Menschen wurden vertrieben. Dieses Trauma ist noch heute vielerorts zu spüren und ist eine Belastung für die politische Einheit des Landes, welches aus kroatischen, bosnischen und serbischen Bevölkerungsgruppen besteht“, erläuterte der Minister.

Seit dem Ende des Krieges besteht das Land aus zwei autonomen Teilen, der Republik Srpska und der Föderation Bosnien-Herzegowina. Seit Jahren befindet sich das Land im EU-Annäherungsprozess. Im Jahr 2016 hat das Land einen offiziellen Beitrittsantrag zur EU gestellt. Im Dezember 2022 wurde dem Land der Status eines EU-Beitrittskandidaten zuerkannt. Im März dieses Jahres gab es dann die Entscheidung, offiziell die EU Beitrittsverhandlungen zu eröffnen.

Während seiner Reise wird Manfred Pentz mit dem Hohen Repräsentanten für Bosnien-Herzegowina, Christian Schmidt, dem stellvertretenden Außenminister Herrn Josip Brkić sowie mit den Bürgermeistern von Mostar, Herrn Mario Kordić, und Ljubuški, Herrn Vedran Markotić zusammentreffen. Auf dem Programm stehen weiterhin Treffen mit hohen Beamten im Bereich der EU-Integration sowie mit Vertreterinnen und Vertretern von Hochschulen, Zivilgesellschaft, religiösen Würdenträgern und Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft. Geplant ist auch ein Gespräch mit dem umstrittenen Präsidenten der Republik Srpska, Milorad Dodik.

EU ist keine "Schönwettereinrichtung"

Dazu sagte Manfred Pentz: „Die EU ist keine Schönwettereinrichtung. Wenn wir die Beitrittsgespräche wirklich ernst nehmen, dann müssen wir mit allen politisch relevanten Kräften aus den Beitrittsländern sprechen. Auch mit denen, mit denen wir nicht sehr viel gemeinsam haben. Es geht darum, sich ein eigenes Bild zu machen. Ist die Überwindung der großen Spannungen im Land überhaupt möglich und wie viel Einfluss haben diese Konflikte auf die Verhandlungsfähigkeit der Regierung sowie auf die Umsetzungsfähigkeit der europäischen Standards? Aus meiner Sicht kann die neue europäische Perspektive dazu beitragen, bestimmte nationalistische Positionen zum Wohle des gesamten Landes aufzugeben. Doch dazu muss es von allen Seiten in Bosnien-Herzegowina die Bereitschaft geben.“

„In Deutschland leben über 200.000 Staatsangehörige Bosnien und Herzegowinas, ca. 25.000 von ihnen leben in Hessen. Damit war Deutschland das Land in der EU, welches mit Abstand die meisten Kriegsflüchtlinge aus Bosnien aufnahm. Das bedeutet, dass es sehr viele menschliche Verbindungen und kulturelle Anknüpfungspunkte zwischen unseren Ländern gibt. Viele der einstigen Flüchtlinge sind heute in unserer Gesellschaft integriert, sind unsere Nachbarn, Freunde oder Sportkameraden. Ich möchte mit dieser Reise auch ein Signal an die hier lebenden Menschen aus der Region senden. Die aktuelle Beitrittsdynamik ist ein Hoffnungsschimmer für ein Zusammenleben in einem geeinten und friedlichen Europa. Einem Europa, das ohne Grenzen auskommt, eine gemeinsame Währung nutzt und die gleichen Werte teilt. Doch dafür brauchen wir auch die hier lebende Diaspora. Unterstützen Sie die Bemühungen der EU, Deutschlands und Hessens für einen schnellen Beitritt. Arbeiten Sie mit uns daran, dass die Europamüdigkeit nicht überhandnimmt und dass Fake News und Propaganda aus Russland nicht bei den Angehörigen in den Beitrittsländern verfangen“, betonte Manfred Pentz. 

Bund und Europa

Hessischer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales und Entbürokratisierung und Bevollmächtigter des Landes Hessen beim Bund

Pressesprecher Europe-Ressort René Brosius

René Brosius

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